„Wir müssen klarmachen, wofür wir stehen“

17. Dezember 2024

Im Interview mit der SPD Stammham spricht die SPD-Bundestagskandidatin Nadine Praun über ihre Ziele und wie sie den Wahlkampf angehen will.

Wie und warum bist du Mitglied der SPD geworden?

Nadine Praun: Es war tatsächlich ein sehr langer Prozess, bis ich in die SPD eingetreten bin. Das erste Mal überlegt hatte ich bei meinem Studienbeginn 2013, damals hatte ich eine Freundin, die bei den Jusos aktiv war und mich zu Veranstaltungen mitgenommen hat. Eingetreten bin ich aber erst nach den Anschlägen in Halle und Hanau, um ein deutliches Zeichen gegen Rechts zu setzen, denn die SPD hat eine lange und stolze Tradition im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Gleichzeitig war und ist mir der Gerechtigkeitsgedanke sehr wichtig. Ich komme selbst aus einer Arbeiterfamilie und daher war klar, dass die Partei, für die ich mich engagiere, diesen Teil der Bevölkerung im Blick haben muss.

Du hast 2023 erstmals für den Bezirkstag kandidiert. Wie war dieser erste, eben auch auf deine Person ausgerichtete Wahlkampf für dich?

Praun: Das war schon herausfordernd, da man zunächst gar nicht wirklich weiß, was auf einen zukommt. Ich habe aber auch gemerkt, dass mir Wahlkampf unglaublich viel Spaß macht. Es war sehr schön, viel unterwegs zu sein, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sich anzuhören, was ihnen wichtig ist. Ich finde, wir haben damals einen guten Wahlkampf gemacht und für mich war es eine sehr spannende Erfahrung, sonst würde ich jetzt nicht nochmal kandidieren.

War das sozusagen die Basis für deine jetzige Bundestagskandidatur?

Praun: Ja, eben nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen. Ich wurde dann gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, für den Bundestag im Wahlkreis Ingolstadt zu kandidieren, und da ich den Gedanken schon in mir hatte, hat das sofort gepasst. Dass ich mit 100 Prozent der Stimmen zur Kandidatin wurde, kam allerdings etwas unerwartet. Es ist aber natürlich sehr schön, wenn man mit so einem Rückhalt in den Wahlkampf gehen kann.

Womit wir beim eigentlich Thema wären: Erläutere uns doch mal ein bisschen deine politischen Positionen.

Praun: Ein Thema, das mich sehr umtreibt, ist das Engagement gegen Rechts. Wobei ich das nicht nur als ein „Dagegen-Thema“ sehe, denn wir sind in einer Zeit angekommen, wo wir stärker klarmachen müssen, wofür wir stehen. Denn ich glaube, dass das Erstarken der populistischen Kräfte nicht zuletzt mit einer großen Unsicherheit bei den Wählerinnen und Wählern zu erklären ist. Ein weiterer zentraler Punkt für mich ist sozial gerechter Klimaschutz, der so ausgestaltet werden muss, dass niemand dadurch abgehängt wird, etwa durch ein Klimageld. Auch über die Rente werden wir sprechen müssen, denn es sind für die Zukunft des Systems Maßnahmen erforderlich, die über das Rentenpaket II hinausgehen.

Wie sieht es mit dem nicht zuletzt in den vergangenen Monaten vieldiskutierten Thema der sanierungsbedürftigen Infrastruktur aus?

Praun: Ich möchte hier das Thema Generationengerechtigkeit ansprechen, womit unter anderem die Schuldenbremse gemeint ist. Es ist meiner Ansicht nach nicht gerecht gegenüber künftigen Generationen, wenn wir ihnen zwar einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren, die jungen Menschen sich in ihrem Alltag aber mit kaputten Schultoiletten und nicht fahrenden öffentlichen Verkehrsmitteln herumschlagen müssen. Es geht also nicht nur darum, dafür zu sorgen, dass wir und die nachfolgenden Generationen in der Zukunft ein gutes Leben haben, sondern dass es im Hier und Heute schnelle und spürbare Verbesserungen für alle gibt.

Das Thema Wirtschaft spielt eine entscheidende Rolle in diesem Wahlkampf. Wie ist deine Position dazu?

Praun: Die Wirtschaft beschäftigt die Menschen derzeit allumfassend, da hier eben sehr viel dranhängt, daher müssen wir in diesem Feld, auf dem uns die Wählerinnen und Wähler derzeit nicht die höchste Kompetenz zurechnen, wieder aufholen, um Vertrauen zu schaffen. Generell geht es nämlich darum, die Unsicherheit, die gerade existiert, nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei den Beschäftigten, abzubauen. Ich möchte zudem im Wahlkampf einen Fokus auf die Einkommens- und Vermögenssteuer legen. Der Spitzensteuersatz soll angehoben und große Vermögen sollten stärker besteuert werden, weshalb wir um eine Reform der Vermögens- und Erbschaftssteuer nicht herumkommen.

Inwieweit gehst du auf lokale politische Bereiche – im Bereich Wirtschaft etwa das Thema Audi – ein?

Praun: Es ist selbstverständlich wichtig, auch im Bundestagswahlkampf lokale Themen aufzugreifen. Wir in der Region stehen vor einer Transformation, denn die Automobilindustrie sichert hier bei uns einen großen Teil der Beschäftigung, nicht nur bei Audi selbst, sondern auch über die Zulieferer. Das wird aber nicht das einzige lokale Thema sein, die Krankenhausreform beispielsweise wird insbesondere für die Menschen im Wahlkreis Ingolstadt eine Rolle spielen. Denn letztlich wollen die Wählerinnen und Wähler zurecht von dir als Kandidatin wissen: Welche Auswirkungen hat die Politik konkret auf mein Leben und warum wird es besser, wenn ich dich wähle? Daher geht es selbstverständlich um lokale Themen in diesem Wahlkampf.

Migration spielt für viele Deutsche eine wichtige Rolle. Wie geht man an dieses sehr komplizierte Feld heran?

Praun: Wichtig ist für mich, dass uns die anderen Parteien nicht bei diesem Thema vor sich hertreiben. Wir müssen hier im Wahlkampf Mythen oder gar Lügen, die gezielt gestreut werden, aufklären und ihnen faktisch entgegentreten. Für mich spielt etwa eine schnelle Arbeitserlaubnis für Geflüchtete eine große Rolle, denn das ist ein Hebel, mit dem zwar nicht alles gut wird, doch wenn die Menschen arbeiten, muss der Staat nicht nur weniger Geld ausgeben, sondern die Leute sind eben beschäftigt, was gleichzeitig die Integration fördert. Das jahrelange Warten auf eine Arbeitserlaubnis, wie es heute teilweise praktiziert wird, ist so jedenfalls nicht sinnvoll.

Dann gehen wir mal von der Theorie in die Praxis: Wie sieht dein Wahlkampf konkret aus?

Praun: Mein Wahlkampf stützt sich auf verschiedene Säulen: Das ist zum einen die Arbeit in den sozialen Netzwerken, denn junge Leute informieren sich heute oftmals über TikTok, Instagram und Co. über politische Themen. Klar kommt es auf die Klassiker wie Infostände und Veranstaltungen an, aber ich versuche, auch neue Formate einzubringen, die Veranstaltungen zu den Menschen zu bringen, innovativ zu sein, um die Wählerinnen und Wähler neugierig zu machen. Mein Wahlkampfteam hat da immer frische Ideen und Vorschläge.

Wie verändert der vorgezogene Wahltermin den Wahlkampf für dich?

Praun: Nun, ich würde sagen, dadurch ändert sich einiges. Der Zeitplan ist von mehreren Monaten auf knapp 100 Tage verkürzt worden. Das führt dazu, dass wir, glaube ich, stärker priorisieren müssen, wo wir unsere Energie hineinstecken. Ich bin überzeugt, dass der Wahlkampf in den sozialen Medien auch dadurch noch einmal an Bedeutung gewinnt. Und nicht zuletzt führen wir nun einen Winterwahlkampf, was viel dessen, was ich mir für diesen Wahlkampf überlegt habe, allein aufgrund der Witterung unmöglich macht. Es geht jetzt darum, in sehr kurzer Zeit klare Botschaften abzusetzen und das Vertrauen der Menschen in uns zu stärken. Klar ist: Dieser Wahlkampf wird wie kein anderer werden. Auch wenn ich es schade finde, mein Konzept nicht umsetzen zu können, ist das Aus der Ampel nach den letzten schwierigen Wochen der richtige Schritt gewesen, fast wie ein Befreiungsschlag.

Interview: Sebastian Binder

Teilen