Landtagswahl 2023: Ein neuer Tiefpunkt

02. Januar 2024

Debakel. An diesem Wort bleibt man zwangsläufig hängen, wenn man nach einer Beschreibung für das SPD-Ergebnis bei der bayerischen Landtagswahl 2023 sucht.

Die ohnehin schon katastrophalen 9,7 Prozent aus dem Jahr 2018 wurden noch einmal unterboten, am Ende stimmten in diesem Jahr 8,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die SPD. Also 1,3 Punkte weniger als bei der vergangenen Wahl, deutlich hinter Freien Wählern, Grünen und leider auch der AfD, Lichtjahre entfernt von der CSU und somit die mit Abstand kleinste Fraktion im neuen bayerischen Landtag – das Wort Debakel erscheint daher angemessen.

Aber wie konnte es zu diesem Ergebnis kommen? Das lag sicherlich nicht in erster Linie an unserem Spitzenkandidaten Florian von Brunn und schon gar nicht an unserer Eichstätter SPD-Kandidatin Michelle Harrer, die beide bis zum letzten Tag um jede Stimme gekämpft haben. Allerdings muss man retrospektiv konstatieren, dass dieses Kämpfen möglicherweise schon von Anfang an auf verlorenem Posten stattfand. Denn die Hypothek, die die Bundesregierung der BayernSPD mitgegeben hat, war groß, um nicht zu sagen: erdrückend. Was die Nachwahlbefragungen bestätigten, denn nicht wenige Wählerinnen und Wähler haben vor allem gegen die Bundesregierung gestimmt, was sich auch an den Verlusten bei den Grünen und der FDP, die sogar aus dem Landtag geflogen ist, zeigt. Jedoch wäre es zu einfach, alle Schuld in Berlin zu suchen, und den landeseigenen Wahlkampf nach dem Motto „Ärgerlich, aber war halt nichts zu machen“ abzutun.

Waren die Themen richtig gesetzt?

Denn dass vor allem das Thema Migration, für 55 Prozent der Wählerinnen und Wähler entscheidend, von der SPD in Bayern während des Wahlkampfs stiefmütterlich bis gar nicht behandelt wurde, war ein Fehler, der so niemals hätte passieren dürfen. Gute Arbeit, Bildung, sichere Gesundheits- und Energieversorgung – um nur ein paar Beispiele zu nennen – sind natürlich alles wichtige Themen, mit denen die SPD 2023 in den Wahlkampf gezogen ist. Das ist aber kein Grund, das Thema Migration zu vernachlässigen. Hier hätte es Antworten auf Fragen bedurft, die sich viele Bürgerinnen und Bürger heute stellen. Stattdessen hat die BayernSPD so getan, als gäbe es die mehr oder weniger berechtigten Sorgen bei den Menschen nicht – eine fatale Fehleinschätzung, die sich insbesondere an den guten Wahlergebnissen der FW und AfD ablesen lässt, die dieses Feld auf populistische Art bestens für sich zu nutzen wussten. Mit dem Plädieren für eine humane Migrationspolitik, die trotzdem zu einer Entlastung der oft überforderten Kommunen beiträgt, hätte die bayerische Sozialdemokratie die Wahl zwar sicher nicht gewonnen, doch zumindest hätte sie gezeigt, dass sie dieses Thema ernst nimmt. Das bestätigt auch Michelle Harrer, die den Einzug in den Landtag verpasst hat, nach der Wahl: „Leider konnten wir die wichtigen bayerischen Zukunftsthemen wie die Energiewende, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum oder eine flächendeckende Gesundheitsversorgung nicht so in den Wahlkampf einbringen, wie diese wichtigen Themen es verdient hätten“, so Harrer. „Was mich persönlich ängstigt, sind die Zugewinne der Rechtspopulisten, die keine Lösungen für die aktuellen Probleme haben, sondern nur die Ängste der Menschen schüren.“ Zumindest eine gute Nachricht gab es aus Sicht der Eichstätter SPD: Die Gaimershaimer Bürgermeisterin Andrea Mickel hat erneut den Einzug in den Bezirkstag geschafft.

Europawahl 2024 steht an

Was ist also die Lehre aus diesem neuerlichen Tiefpunkt für die BayernSPD? Vielleicht muss man zumindest hier in Bayern akzeptieren, dass man längst keine Volkspartei im eigentlichen Sinn mehr ist. Das klingt zwar erst einmal bitter, bedeutet es doch nicht zuletzt, dass man künftig zunächst um das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde kämpft. Aber möglicherweise liegt darin auch eine Chance, denn es ist an der Zeit, das Profil der BayernSPD zu schärfen, zumal das mittlerweile schon fast mantrahaft vorgetragene „Ich weiß nicht mehr, wofür die SPD steht“ auch 2023 wieder bei vielen Wählerinnen und Wählern auszumachen war.

Auf dieser Basis gibt es also gute und schlechte Nachrichten. Die schlechte: Bereits im Juni ist Europawahl, das Profil in dieser kurzen Zeit überzeugend nachzuschärfen, dürfte ziemlich schwierig werden. Die gute: Bereits im Juni ist Europawahl und mit einem engagiert und durchdacht geführten Wahlkampf kann die SPD die Scharte vom 8. Oktober 2023 vielleicht ein wenig auswetzen. Aber ob nun gute oder schlechte Nachricht, Fakt ist: Es bedarf einer Menge Arbeit, damit sich das Debakel von Bayern nicht auf europäischer Ebene für die SPD wiederholt…

Auf dem Foto: Andrea Mickel und Michelle Harrer

Text: Sebastian Binder

Teilen